Seminar für Politische Wissenschaften der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms Universität zu Bonn
Bild: US-Zerstörer beim Fernlenk-Flugkörper-Abschuß. Quelle: US-Navy.
Hausarbeit zum Hauptseminar im WS 1999/2000 Nr.: 5680:
Thema:„Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen als
sicherheitspolitische Herausforderung“
Leitung:
PD Dr. J. Krause
vorgelegt von:
Matijević, Marko
Bonn, den 09.01.2000
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung S. 3
2. Eine kurze Geschichte der US-Raketenabwehr S. 6
2.1 Die ersten Schritte zur Abwehr ballistischer Raketen S. 6
2.2 Reagans SDI und die Waffen der dritten Generation S. 9
2.3 Warum SDI ein Fehlschlag wurde S. 13
3. Die moderne Abwehr von ballistischen Raketen S. 15
3.1 Wozu eine Raketenabwehr? S. 17
3.2 Bedrohung durch Proliferation S. 18
3.3 Die verschiedenen Formen der US-Raketenabwehr S. 21
4. Die Kritik an der US-Raketenabwehr S. 29
4.1 Der technische Aspekt S. 29
4.2 Der politische Aspekt S. 32
5. Abschließende Betrachtung S. 33
6. Literaturliste S. 36
2
1.
Einleitung
1945 beginnt mit dem Abwurf der amerikanischen Atombomben, auf die japanischen
Städte Hiroshima und Nagasaki, daß nukleare Zeitalter.
Diese Bomben waren nicht nur Waffen, sondern auch Symbole für eine neue
Weltordnung, die in Zukunft maßgeblich durch den Besitz nuklearer Waffen bestimmt
werden sollte. Bis vor kurzer Zeit zählten die USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich
und die sozialistische Volksrepublik China, zu den klassischen Atommächten. Heute
verfügen immer mehr Schwellenstaaten über nukleare Technologien, die auch zur
Herstellung von Waffen taugen. So zum Beispiel Indien oder Pakistan.
Neben der nuklearen Bedrohung, gibt es auch die biologischen und chemischen
Massenvernichtungswaffen, über die viele Entwicklungsstaaten heute verfügen.
Allerdings entsteht die Gefahr und Bedrohung durch die ballistischen Raketen, die als
Waffenträger dienen. In den Händen von Diktatoren, sind diese Waffen Druckmittel.
Schon sehr früh wurde der kalte Krieg durch das Wettrüsten von den
Großmächten USA und UdSSR beherrscht. Die Strategie basierte beiderseits auf dem
Leitgedanken der Abschreckung. Keiner der Kontrahenten könnte einen Erstschlag mit
Nuklearwaffen führen, ohne den Gegenschlag des Gegners fürchten zu müssen. Für
beide Seiten wäre daher der Erstschlag gleichzeitig das ultimative Ende – quasi das
biblische Armagedon. Dank dieser Erkenntnis, wurden die Abrüstungsverhandlungen
zwischen den USA und UdSSR eingeleitet und erweitert. Schließlich kam es zu den
verschiedenen Limitierungen und Reduzierungen der Nuklearwaffenarsenale, aber auch
der biologischen und chemischen. Neben den Abrüstungsverhandlungen, wurde den
Großmächten auch bewußt, daß Verteidigung noch eine andere Dimension hat. Die
Proliferation spielt dabei die Hauptrolle. Es geht hier um die Verhinderung der
unkontrollierten Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, den nötigen, technischen
Kenntnissen zu deren Herstellung und der nötigen Materialien. Vor allem das Streben
von Ländern wie Indien und Pakistan, die politisch, wirtschaftlich und sozial instabil
sind, ebenfalls Nuklearmächte zu werden, wird unter diesen Aspekten mit gewissen
Argwohn verfolgt. Auch die sogenannten Schurkenstaaten versuchen Nutzen aus der
Proliferation zu ziehen. Vor allem aber der Zusammenbruch der ehemaligen UdSSR hat
gezeigt, wie schwer es in der Realität ist, einen Technologietransfer dieser Art zu
kontrollieren oder ihn gar zu unterbinden.
3
Neben der Vermeidung der unkontrollierten Proliferation, bildet auch die
Raketenabwehr einen wichtigen Aspekt. Eben das Proliferationsproblem stellt
zunehmend Anforderungen an die Verteidigungssysteme der Großmächte. Die
Großmächte kamen zu der Erkenntnis, daß das Ende des kalten Krieges auch die
Möglichkeit eines nuklearen show-down stark relativiert hat. Die Bedrohung durch die
Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, aber dafür bedeutender als zuvor
geworden ist.
Konflikte wie der zweite Golfkrieg gegen den Irak 1991, brachte bei US-Militärs
und anderen NATO-Staaten den Gedanken von einer Raketenabwehr wieder auf.
Allerdings nicht mehr in der Form eines Weltraum gestützten Schutzschildes, sondern
eines NMD - National Missile Defense1. NMD ist die Antwort der USA auf die
zunehmende Bedrohung durch ballistische Raketen mit einer Reichweite, die es erlaubt,
zukünftig auch die USA direkt zu bedrohen.
Angesichts der Bedrohung durch irakische Scud-Raketen während des zweiten
Golfkriegs, wurden zum ersten mal auch Abwehrsysteme in einem Krieg eingesetzt, die
zeigen mußten, ob sie es mit der Bedrohung durch ballistische Raketen geringer und
mittlerer Reichweite aufnehmen könnten.
Bei diesen Systemen handelt es sich um das sogenannte TMD - Theatre-Missile-
Defense2. In den USA wird die Bedrohungslage des Landes durch russische
Interkontinentalraketen nicht mehr so hoch eingeschätzt. Die der eigenen Truppen und
alliierter Kräfte in Übersee jedoch um so mehr. Der Schutz für die Kampftruppen auf
dem Gefechtsfeld steht im Vordergrund. Die Gefechtsfeld-Raketenabwehr nimmt daher
in der modernen Kriegführung eine führende Rolle ein. Es ist dabei nicht mehr wichtig,
welche Massenvernichtungswaffe(n) der Gegner einsetzen wird, sondern nur die
wirksame Abwehr.
Diese Arbeit wird sich allgemein mit allen Teilbereichen der US-Raketenabwehr
befassen, dem SDI3, dem NMD und dem TMD. Die Festlegung auf die Betrachtung der
US-Raketenabwehr hat einen spezifischen Grund. Rußland betreibt seit einigen
Jahrzehnten ein Abwehrsystem, das den Anforderungen bzw. den Einschränkungen des
ABM-Vertrags gerecht wird. Auch die USA betrieben ein ähnliches System, das aber
recht früh wieder eingestellt wurde. Die Gründe dafür sind nicht schlüssig. Während
Rußland das besagte System zwar beibehielt, ist es aber wegen des Vertrags auf die
1
NMD: Nationale Raketenabwehr
TMD: Gefechtsfeld-Raketenabwehr
3
SDI: Strategic Defense Initiative; deut.: Strategische Verteidigungsinitiative
4
2
Verteidigung Moskaus und des angrenzenden Umlandes beschränkt. Während die USA
sich mit Nachdruck der Gefechtsfeldraketenabwehr widmen, hat auch hier Rußland
bereits ein existierendes Waffensystem. Dieses wird mittlerweile sogar ins Ausland
verkauft. Daher scheint die Untersuchung der Bemühungen seitens der USA um so
interessanter, da die Umsetzung der Programme, zu einsatzfähigen Abwehrsystemen,
gewisse politische und technische Hürden zu nehmen hat.
Punkt 2. der Arbeit wird im Jahr 1950 ansetzen und Rückblickend die Vorläufer
der US-Raketenabwehr erläutern. Unter anderem werden auch die Gründe für das
Scheitern der Vorläufer aufgezeigt. Schließlich folgt SDI wie es unter Reagans
Präsidentschaft von Bedeutung war. Auch wenn Reagans SDI-Programm bereits seit
Beginn der 90er Jahre als obsolet gilt, ist es als technologische Basis auch für das NMD
bedeutend. Dabei geht es um Waffentechnologie der sogenannten „dritten Generation“
und ihre Bedeutung für SDI. Schließlich werden noch die verschiedenen politischen und
technischen Gründe die zum Scheitern des Programms führten erläutert.
Punkt 3. Wird sich dann mit der modernen Raketenabwehr befassen. Dabei
werden grundlegende Fragen betrachtet, wie zum Beispiel die Notwendigkeit einer
Raketenabwehr heute, insbesondere nach dem Scheitern des SDI-Programms und die
Problematik der Proliferation von ballistischen Raketen. Als abschließender Punkt
dieses Abschnittes der Arbeit, werden das NMD-Programm und das TMD in ihrer
Zielsetzung, den Waffensystemen und ihrer Funktionsweise erläutert.
Punkt 4. stellt vor allem die politischen Probleme dar, die aus der US-
Raketenabwehr erwachsen. Dabei geht es um die Haltung Rußlands gegenüber dieser
US-Initiative. Es zeichnet sich eine erneute Verhärtung der Beziehungen zwischen
beiden Ländern ab, die zu einem Teil auf die Drohungen Rußlands gegenüber den USA
zurückzuführen ist, die in der US-Raketenabwehr einen konkreten Verstoß gegen den
ABM-Vertrag sieht.
5
2.
Eine kurze Geschichte der US-Raketenabwehr
„Ich rufe die wissenschaftliche Gemeinde auf, die uns
Kernwaffen gab, ihre großen Talente der Sache der Menschheit
und des Weltfriedens zuzuwenden; uns die Mittel zu geben, diese
Kernwaffen machtlos und hinfällig zu machen.“ (zitiert nach: Ronald
Reagan, am 23.03.1983; In: William J. Broad: Star Warriors; Simon & Schuster, New
York 1985)
2.1
Die ersten Schritte zur Abwehr ballistischer Raketen
SDI scheint zwar ein Begriff der achtziger Jahre zu sein, tatsächlich liegen aber die
Anfänge der US-Raketenabwehr bzw. des NMD vor dieser Zeit. Genau genommen sind
es die 50er Jahre. Um schließlich in ein so kostspieliges Unternehmen einzusteigen,
bedurfte es natürlich auch einer gewissen Motivation.
Auf amerikanischer und sowjetischer Seite, befaßten sich Militärs und
Wissenschaftler bereits in den frühen 50er Jahren mit der Grundidee einer
Raketenabwehr. 1957 ist für die USA aber das entscheidende Jahr. Die Sowjets
starteten den ersten Satelliten - Sputnik - in den Weltraum. In den USA war man über
diese Tatsache sehr beunruhigt, denn dies war der Vorbote einer neuen Art der
Bedrohung. Wenn die Sowjets es schaffen konnten eine Trägerrakete für einen
Satelliten zu bauen, dann könnten sie diese Technologie auch als Waffenträger für
Nuklearwaffen einsetzten. Das bedeutete, daß die Nuklearwaffen nicht mehr von
Flugzeugen oder Schiffen transportiert werden mußten, wo man sie noch vor dem
erreichen ihren Zielen hätte zerstören können. Von nun an würden diese Waffen teils
durch den Weltraum fliegen, wo sie unverwundbar gewesen wären, da es kein adäquates
Abwehrmittel für solche Waffen gab. Die USA sahen die einzige Chance darin, die
Sowjets technisch einzuholen4. Damit begann das Wettrüsten zwischen beiden
Nationen.
Gegen Ende der fünfziger Jahre, unter US-Präsident Eisenhower, erstellte man ein
erstes Konzept einer Raketenabwehr, mit der Bezeichnung „Project Defender“. Bereits
in dieser frühen Phase der Raketenabwehr, befaßten Wissenschaftler sich mit der
Wirkung von Nuklearplasmen und Röntgen- und Gammastrahlenlasern („Casaba“ u.
4
Vgl.: Broad, 1985, S.: 62
6
5
„Howitzer“ Projekte), zur Zerstörung sowjetischer Raketen . Das Projekt wurde aber
bereits Anfang der sechziger Jahre wieder aufgegeben. Ein weiterer Lösungsansatz, war
der Einsatz eigener Raketen mit kleinen Nuklearsprengköpfen, zur Abwehr
herannahender, sowjetischer Flugkörper. Die Interzeptoren würden theoretisch durch
Explosionen, alle in unmittelbarer Nähe befindlichen Feindflugkörper vernichten. Dies
würde exoatmosphärisch stattfinden, also außerhalb der Erdatmosphäre6.
Unter US-Präsident Nixon, gab es erneute Anstrengungen einen Abwehrschild für
die USA aufzubauen. „Safeguard“ wurde ins Leben gerufen. Safeguard stellte trotzdem
kein besonderes Novum zu Project Defender dar, denn auch hier handelte es sich nur
um nukleare Abfangraketen7. Allerdings war die verfügbare Technologie von 1970 um
ein vielfaches besser, als die der 50er Jahre. Dabei ging es vor allem um die Frage der
Präzision, bei den Radargeräten und den Raketensteuerungen. Safeguard wurde im US-
Bundesstaat Norddakota installiert. Nur ein Jahr nach der Installation wurde es wieder
aufgegeben.
Verschiedene Gründe führten letztendlich zum scheiterten, der genannten
Vorläufer des modernen SDI-Programms. Diese sind nicht nur im technischen Bereich
zu suchen, sondern auch im politischen.
Das Projekt Defender hatte zwar weniger politische Probleme, aber dafür ein
gravierendes, technisches Problem, was für das Projekt auch das endgültige Ende
bedeutete. Es handelt sich dabei um EMP - den Electro-Magnetic-Pulse8. Alle
Kernwaffentypen haben diese gemeinsame Eigenschaft. Es handelt sich um einen
Effekt, der bei der Detonation einer Kernwaffe entsteht. Im Moment der Detonation
über einem Ziel, breiten sich noch vor Druck- und Hitzewelle, elektromagnetische
Wellen aus. Die Stärke dieser Wellen, verursacht bei allen elektrischen Geräten einen
sofortigen Ausfall. Im Ernstfall würden also die eigenen Interzeptoren nicht nur die
anfliegenden Feindflugkörper in oder außerhalb der Erdatmosphäre vernichten, sondern
die eigene Aufklärung und Kommunikation am Boden ausfallen lassen.
Für Safeguard gilt im Grunde das selbe Problem. Allerdings wurden in den 70er
Jahren immer mehr Computer eingesetzt, die vor allem die Waffen und
Kommunikationsmittel steuerten. Der Ausfall dieser Computer hätte zur Folge gehabt,
daß den Truppen keine Befehle mehr übermittelt werden könnten. Also, der totale
5
Vgl.: Broad, 1985, S.: 74
Vgl.: Broad, 1985, S.: 65
7
Vgl.: ders., ebd.
8
EMP: Elektromagnetischer Impuls
6
7
Kollaps der militärischen Infrastruktur. Ein Gegenschlag wäre ebenfalls nicht mehr
möglich. Bereits seit der Zeit von Defender, wußten US-Militärs vom EMP und seiner
Wirkung, was aber beharrlich ignoriert wurde.
Für das Ende von Safeguard waren aber die politischen Faktoren wichtiger, als
die technischen. Ein Wandel im konventionellen Denken setzte ein. Vor allem viele
Sachverständige warnten, daß eine Raketenabwehr technisch noch nicht ausgereift
genug, zu teuer und vor allem zu destabilisierend sei9.
1972 unterzeichneten Nixon und sein sowjetischer Amtskollege Breschnew den
SALT I Vertrag. Dieser begrenzte boden- und seegestützte Interkontinentalraketen auf
bereits bestehende Zahlen, und wurde als Interimsvertrag auf fünf Jahre vorgesehen.
Die Weiterentwicklung existierender Systeme wurde dabei nicht eingebunden.
Ein essentieller Bestandteil des Vertrags war auch ABM. Hier wurden die
Abwehrraketen auf eine Stückzahl von 100 begrenzt, für jede Seite. Auf weitere
Abwehrsysteme wurde dafür verzichtet10. Interessant ist dabei, daß Safeguard hätte
weiter bestehen können, in Einklang mit dem ABM-Vertrag! Trotzdem wurde es nur
kurze Zeit nach seiner Installation wieder aufgegeben. Hier mag der finanzielle Aspekt
eine Rolle gespielt haben, für die USA und die UdSSR. Nixon’s Safeguard verschlang
5,7 Milliarden Dollar. Für die Sowjets bedeutete die Anschaffung eines ähnlichen
Systems, ebenfalls einen extrem hohen Finanzaufwand, der zum Fehlen von
Haushaltsmitteln in der zivilen Wirtschaft führen sollte.
Abwehrsysteme wurden von Kritikern als Provokation der jeweiligen Gegenseite
angesehen. Die Tatsache, daß man in Frieden miteinander lebte, wurde auf die
Abschreckung zurückgeführt. Jede Störung diese Zustandes, würde daher das Verhältnis
zwischen den Großmächten destabilisieren. Daher scheint es auch verwunderlich, das
die USA und UdSSR ABM legitimierten. Denn ABM suggerierte die Möglichkeit der
Abwehr, also den Vorteil gegenüber dem potentiellen Gegner. Damit würde die
Rüstungsspirale wieder in Gang gesetzt, und die eigentlichen Bemühungen die hinter
SALT I standen, bedeutungslos.
SALT II wurde ein Fehlschlag. 1977 begann die UdSSR mit der aggressiven
Aufrüstung im Bereich der Mittelstreckenraketen des Typs SS 20. Die europäischen
Bündnispartner der USA sahen sich bedroht. Dennoch unterzeichneten 1979 US-
Präsident Carter und sein sowjetischer Amtskollege Breschnew SALT II. Dieser Vertrag
9
Vgl.: Broad, 1985, S. 66
Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994, S. 515 f
8
10
sah die Reduzierung der Zahlen an Trägerwaffen, Raketen, U-Booten und Fernbombern
mit
Raketenbestückung,
Abschußrampen
und
Atomsprengköpfen
vor11. Aber
Angesichts des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan, noch im selben Jahr, wurde
SALT II vom US-Senat nicht mehr ratifiziert. Und wieder stellte sich seitens der USA
die Frage, ob Abwehr nicht doch besser sei, als Vergeltung? Eine Frage, der sich auch
US-Präsident Reagan stellte. Die Raketenabwehrtechnologie sollte einen erneuten
Anlauf nehmen.
2.2
Reagans SDI und die Waffen der dritten Generation
Mit dem Amtsantritt Ronald Reagan’s 1981, wurde ein neuer Kurs eingeschlagen.
Reagan betrachtete die Intervention der UdSSR in Afghanistan und den sowjetischen
Ausbau im Bereich der Mittelstreckenraketen der siebziger Jahre, die auf Europa
gerichtet waren, als Bedrohung.
Er machte bereits in seinem Wahlkampf 1980 sehr deutlich, daß er den bisherigen
Kurs der Annäherung und Entspannung nicht mehr fortführen werde, solange die
Sowjets selber keine ernst zu nehmenden Anstrengungen in diese Richtung
unternehmen würden. Westliche Strategen sahen die Ölfelder im nahen Osten durch
sowjetische Truppen in Afghanistan gefährdet. Die Lage schien bereits schon früher
nicht günstig, für einen positiven Ausgang der Abrüstungsverhandlungen. Tatsächlich
hat
die
sowjetische
Außenpolitik
nur
wenig
zur
Glaubwürdigkeit
der
Verhandlungsintentionen beigetragen. Stetige Aufrüstung und beharrliche Fortführung
ihrer Globalstrategie, in Form der Unterstützung sozialistischer Regierungen oder
antiwestlicher Befreiungsbewegungen, ließen in den Augen der USA und ihrer
Verbündeten kaum Vertrauen aufkommen. Aber am schwerwiegendsten war vielleicht
die technologische Unterstützung Indiens durch die UdSSR, auf dem Weg zur sechsten
Nuklearmacht. 1974 war Indien bereits so weit. Womit die Diskussion um die
Proliferation wieder aktuell wurde12. Angesichts dieser Tatsachen schienen die
Gespräche für SALT I und SALT II nun tatsächlich Bedeutungslos.
Dennoch wurde 1982 ein zweiter Versuch unternommen. Reagan traf sich mit
seinem sowjetischen Amtskollegen in Genf. Ziel war es, eine Einigung über den Abbau
von strategischen Interkontinentalraketen (ICBMs – Intercontinental Ballistic
11
12
Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994, S. 536
Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994, S. 498
9
Missile(s)) zu erreichen. Parallel kam es zur Stationierung von US-Nuklearwaffen in
Europa, quasi als Reaktion auf die SS-20. Dies führte zum scheitern der Gespräche
seitens der UdSSR, die 1983 die Genfer Verhandlungen abbrachen13. Die Gespräche
wurden unter der Bezeichnung START I14 (Strategic-Arms-Limitation-Talks) geführt.
Reagan rief noch 1983 die Gemeinschaft amerikanischer Wissenschaftler auf, ihr
Wissen in den Dienst der Landesverteidigung zu stellen, und dem Land die Waffen zu
geben, die es vor der nuklearen Vernichtung bewahren könnten (siehe Zitat). Damit war
SDI ins Leben gerufen worden. Der Unterschied zu den Vorgängersystemen liegt in der
diffizilen Technologie, die nun zur Verfügung stand. Bei den Waffen des SDI-
Programms, handelt es sich um Waffen der sogenannten dritten Generation.
Waffen der ersten Generation sind zum Beispiel die Atombomben der fünfziger
Jahre, die mit konventionellem Sprengstoff gezündet wurden, um die nukleare
Kettenreaktion einzuleiten. Die der zweiten Generation sind die Fusionswaffen, also
thermonukleare Waffen. So zum Beispiel die Wasserstoffbomben, die mit einfachen
Atomsprengsätzen
der
ersten
Generation
gezündet
werden,
um
die
nötige
Ausgangsenergie für eine Kernfusion zu erreichen. Die Kernfusion setzt dabei mehr
Energie frei, als es die Kernspaltung vermag. Bei der dritten Generation handelt es sich
um Waffen, die den anfallenden Energieausstoß einer miniaturisierten Kernwaffe
nutzen, um ihren eigentlichen Vernichtungsmechanismus in Gang zu setzen. Bei SDI
handelte es sich um ein Abwehrsystem, das verschiedene Abwehrstufen vorsah. Um
einen möglichst hohen Prozentsatz an Effektivität zu garantieren, sollte eine
Kombination verschiedener Waffentypen eingesetzt werden.
Es gab drei Abwehrstufen. Die erste Stufe an Abwehrwaffen bekämpft
gegnerische Flugkörper bereits in ihrer Aufstiegsphase in der Erdatmosphäre, also noch
über dem gegnerischen Territorium und bevor die Trägersysteme sich von den
multiplen Gefechtsköpfen trennen konnten. Die zweite fängt die Feindflugkörper
exoatmosphär ab, wo die Sprengköpfe freigesetzt werden um ihre Ziele anzusteuern.
Die dritte fängt alle Sprengköpfe ab, die durch die erste und zweite Stufe
durchschlüpfen konnten. Dies geschieht in den oberen Schichten der Atmosphäre beim
Wiedereintritt. Diese Stufen sind zwar ein System, würden aber unabhängig
voneinander gesteuert. Dadurch würde die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls des
Systems auf ein Minimum verringert15.
13
Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994, S. 536
START: „Gespräche zur Begrenzung von Strategischen Waffen“; hier: ICBMs
15
Vgl.: Broad, 1985, S. 66 f
10
14
Bei den Waffen der dritten Generation handelt es sich um die sogenannten
Röntgenlaser. Diese Laser würden als Satelliten im geosynchronen Orbit stationiert, wo
sie anfliegende ICBMs abschießen sollten. Die alternative wäre gewesen, die
Röntgenlaser erst im Ernstfall vom Boden zu starten. Warum der Laser? Die Zündung
einer miniaturisierten Fusionswaffe ist die Energiequelle für den Laser. Es handelt sich
dabei um Röntgen- und Gammastrahlen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit
fortbewegen. Diese werden durch innere Mechanismen des Lasersatelliten zum Laser
gebündelt und auf aufsteigende Raketen abgefeuert, die sie zerstören. Moderne
Sprengköpfe sind gehärtet16 und können einen Laserbeschuß überstehen. Daher ist es
um So wichtiger die Trägerraketen in der Aufstiegsphase zu zerstören. Da die Zündung
einer Kernwaffe die Energiequelle des Lasers ist, bedeutet diese auch seine
Vernichtung. Womit der Laser eine nur einmal einsetzbare Waffe gewesen wäre!
Allerdings kann er durch ein unabhängiges Feuerleitsystem multiple Laserstrahlen auf
verschiedene Ziele abfeuern, bevor er selber detoniert. Ausschlaggebend ist dabei die
Tatsache, daß Röntgen- und Gammastrahlen sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen
und damit schneller sind, als Trümmer und Partikel der Detonation, die zwangsweise
zur Vernichtung des Satelliten führen17. Der Nachteil ist, daß Laser kaum durch die
Erdatmosphäre dringen können, wo sie zerstreut werden. Daher sind die Laser für Stufe
zwei gedacht, im luftleeren Raum, bevor die gegnerischen Sprengköpfe freigesetzt
werden können.
US-Wissenschaftler haben auch an anderen Systemen Geforscht die sich aber als
nur wenig Praktikabel erwiesen. Darunter fallen EMP-Waffen, Mikrowellenwaffen und
Teilchenstahlenwaffen. Gegen den EMP wurden bereits Gegenmaßnahmen ergriffen die
kritische Systeme schützen können, womit der EMP als Waffe nicht mehr attraktiv war.
Die Mikrowellen vermögen zwar verheerende Störungen in der Steuerung gegnerischer
Trägerwaffen hervorzurufen, können aber diese nicht wirklich zerstören. Sie sind, wie
auch der Laser, nur im luftleeren Raum von Nutzen. Die Teilchenwaffen nutzen
Elektronen, Protonen und Ionen, gegen die es bis heute keine effektive Verteidigung
gibt. Als Strahlenwaffen sind sie aber zu leicht ablenkbar18 und in der Atmosphäre
verlieren sie sogar ihre Wirkung19.
16
Besondere Legierungen der Außenhaut bieten höchstmöglichen Schutz vor Zerstörung
Vgl.: Broad, 1985, S. 68-71
18
Durch Magnetfelder
19
Vgl.: Broad, 1985, S. 72 f
11
17
Die Stufen eins und zwei des SDI-Programms, greifen daher auf die bereits
bekannten Interzeptoren zurück, um gegnerische Raketen zu vernichten. Damit war der
Röntgenlaser das wahre Herz von SDI.
Eine weitere, wichtige Rolle, spielten noch zwei andere Waffensysteme.
Unterseeboote und Kommunikationssatelliten. Für das Funktionieren von SDI waren die
Unterseeboote sogar von sehr großer Bedeutung. Boote mit der Kapazität ICBMs20 zu
tragen und wenn nötig aus dem getauchten Zustand zu starten, gab es bereits seit
längerer Zeit21. Ihr strategischer Einsatz für SDI wurde mit „Pop-up“22 bezeichnet. Für
die
Verteidigung
sollten
die
von
den
Unterseeboote
mitgeführten
Interkontinentalraketen mit Röntgenlasern bestückt werden. Als Alternative wären auch
einfache Nukleargefechtsköpfe denkbar, die wie herkömmliche Interzeptoren agieren
würden. Der strategische Vorteil der Unterseeboote liegt in deren Eigenschaften sehr
mobil und schwer aufspürbar zu sein. Vor allem aber können Unterseeboote, anders als
Flugzeuge, bis an die Grenzen der UdSSR herankommen und aufsteigende ICBMs noch
in der Aufstiegsphase bekämpfen. Dies ist Angesichts der Erdkrümmung von
Bedeutung.
Frühwarnsatelliten
in
der
Umlaufbahn,
würden
den
Start
von
Feindflugkörpern zwar rechtzeitig melden, aber der Einsatz von in den USA am Boden
befindlicher Abwehrsysteme würde zuviel Zeit kosten, um die Feindflugkörper noch in
ihrer Startphase zu Zerstören23. Selbst wenn die Systeme im Orbit wären, könnten sie
aufgrund der Erdkrümmung anfangs die anfliegenden Objekte nicht sehen. Ebenfalls ein
Verlust kostbarer Zeit.
Aber auch hier gab es eine entscheidende, technische Hürde. Die Kommunikation
mit den Booten. Die Boote kommunizieren über Niederfrequenz Funksignale, die als
Trägerwellen nur wenige Informationen übermitteln können und nur in geringe
Wassertiefen vordringen. Der Blaugrün-Laser24 sollte Abhilfe schaffen. Er kann über
Sensoren von den Booten noch in großen Tiefen empfangen werden und bedeutete den
entscheidenden Zeitvorteil für den Einsatz von Abwehrsystemen25.
Trotz der vielen technischen Neuerungen in der Forschung für SDI, blieben auch
Zweifel an der Durchführbarkeit. Es kamen kritische Stimmen seitens der Politiker,
Militärs und Wissenschaftler auf.
20
Hier: Typ Trident
Hier: Unterseeboote des Typs Ohio SSBN
22
Pop-up: „Hervorschellen“
23
Erste Stufe von SDI
24
Ein modulierter Laserstrahl, im blaugrünen Farbspektrum
25
Vgl.: Broad, 1985, S. 108 f
12
21
2.3
Warum SDI ein Fehlschlug wurde
Einige der Kritiker in den USA, kamen aus den Reihen der Wissenschaftler der ersten
Generation. Das Dogma dieser Jahre war äußerst simpel und einleuchtend. Es basiert
auf gegenseitiger Abschreckung, dem MAD - Mutual Assured Destruction26. Die USA
und die UdSSR haben Raketen. Es gab keine Möglichkeit einen Erstschlag zu führen,
ohne im Gegenschlag die eigene Vernichtung erwarten zu müssen. Man hielt daher
einen einseitigen Abwehrschirm für nutzlos, teuer und vor allem politisch provokativ27.
Tatsächlich reagierten die UdSSR kurz nach Reagans Rede. Jurij Andropow erklärte,
daß nur Laien einen friedfertigen Sinn in SDI erkennen könnten, was die Rede Reagans
als reine Rhetorik abtat28. Die Befürchtungen Andropows deckten sich mit denen der
US-Wissenschaftler der ersten Generation. Der Gedanke in sich war sehr überzeugend.
Eine Kriegspartei mit einem funktionierendem Abwehrschild, könnte zu einem
Erstschlag verleitet werden, da der Erfolg eines feindlichen Gegenschlags auf ein
Minimum reduziert werden könnte.
Der Vorteil von SDI wäre allerdings nur gewährleistet, wenn die Entscheidung
zum Waffeneinsatz äußerst schnell gefällt worden wäre. Der Präsident wäre dazu
vielleicht nicht in der Lage, Computer aber schon. Kritiker wandten sich gegen diesen
Vorschlag, Computern die alleinige Entscheidungsgewalt zu überlassen, da man bereits
durch falsche Alarme die Risiken erkannt hatte. Die Alternative wäre gewesen, den
Präsidenten mit einer mobilen Kommandovorrichtung auszustatten. Die irrtümliche
Aktivierung des Abwehrschildes, könnte außerdem als Auftakt für einen Erstschlag
interpretiert werden29. Ein völlig anderer Aspekt, sind die ökologischen Folgen von
SDI. Angenommen Pop-up würde sowjetische Raketen in ihrer Startphase in der
Endoatmosphäre treffen, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die Raketen und
Sprengköpfe detonieren noch über dem gegnerischen Gebiet. Oder die Sprengköpfe
fallen unbeschädigt zurück. Allerdings könnte sich das Plutonium beschädigter
Sprengköpfe auch in der Erdatmosphäre verteilen und als radioaktiver Niederschlag
herab regnen. Atmosphärische Winde würden das Plutonium Global verbreiten und dort
26
MAD: „Gegenseitige, gesicherte Zerstörung“
Vgl.: Broad, 1985, S. 19
28
Vgl.: Broad, 1985, S. 76
29
Vgl.: Broad, 1985, S. 110 f
27
13
quasi lagern. Ein Leben auf der Erde wäre damit wahrscheinlich auf unabsehbare Zeit
unmöglich30.
Die andere Frage war, ob die Sowjets über Möglichkeit verfügten, technologisch
SDI zu umgehen. Dazu wäre es schon ausreichend gewesen, schnell brennende
Trägerwaffen zu entwickeln. Das heißt, Raketen mit einem Treibstoff, der eine hohe
Beschleunigung in sehr kurzer Zeit erlaubt. Dies war entscheidend, da die
Feuerleitanlagen der Röntgenlasersatelliten sich an den heißen Antriebsemissionen der
Trägerwaffen orientierten. Wäre die Beschleunigungsphase sehr kurz, könnten die
Trägerwaffen ihre Sprengköpfe schon in der Endoatmosphäre aussetzen, wo sie für die
Laser kaum zu bekämpfen sind31. Andererseits könnten die Sowjets, statt das ganze
Nukleararsenal auf einmal in die Schlacht zu werfen, die Raketen nacheinander starten.
So könnte man die begrenzte Zahl an Röntgenlasern erschöpfen und damit den Rest an
Raketen und Sprengköpfen durchbringen. Dies würde die USA zum Erhalt eines, wenn
auch minimalen, Raketenarsenals zwingen, um einen Gegenschlag führen zu können.
Dies wiederum stand im absoluten Gegensatz zu Reagans Gedanken, die
Offensivwaffen zu bannen (siehe Zitat)! Der Abwehrschild hatte also doch Löcher.
Auch das US-Militär hatte Bedenken. Die Navy lehnte den Blaugrün-Laser ab. Man
wollte die konventionellen Kommunikationsmittel nicht aufgeben. Sie entzog dem SDI-
Programm einen Großteil der Finanzmittel, was ein herber Schlag für das Programm
war32.
Auch wenn SDI im Prinzip nur als Forschungsprogramm existierte, brachte die
Angst vor zu hohen Rüstungskosten bei einer technologischen Aufholjagd, die UdSSR
bereits 1984 zurück an den Genfer Verhandlungstisch. 1985 wurden erneut
Rüstungskontrollgespräche eingeleitet. 1987 konnten sich Reagan, und sein neuer
Amtskollege Gorbatschow, sogar über die Abschaffung einer ganzen Gattung von
Nuklearwaffen einigen33. Dabei handelte es sich um INF – Intermediate Range
Nuclear Forces34. Dieser Vertrag sah die Verschrottung von strategischen
Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern vor, mit einer Reichweite zwischen 500
und 5.500 km. Darüber hinaus verpflichteten sich beide Seiten zur Einhaltung des ABM-
Vertrags35.
30
Diese
Entspannung
ließ
SDI
Vgl.: Broad, 1985, S. 112 f
Vgl.: Broad, 1985, S. 168
32
Vgl.: Broad, 1985, S. 226
33
Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994, S. 536
34
INF: Mittelstrecken Nuklearstreitkräfte
35
Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1994, S. 553 f
14
31
nicht
über
das
Stadium
eines
Forschungsprojektes hinaus kommen. Wissenschaftler mußten eingestehen, das SDI
ohnehin nicht vor dem Jahr 2000 einsatzbereit gewesen wäre. Zu spät für das Militär,
und von den politischen Ereignissen eingeholt, wurde es nie verwirklicht. 1993 wurde
das SDI-Programm offiziell vom Pentagon eingestellt und verschlang bis dahin 50
Milliarden US-Dollar36.
3.
Die moderne Abwehr von ballistischen Raketen
„[...] Gegenüber der militärischen Bedrohung durch die
südlichen
und
südöstlichen
Randstaaten
sind
Raketenabwehrsysteme erforderlich, die technologisch möglich
und finanzierbar sind. Anders als bei Präsident Reagan’s SDI-
Projekt handelt es sich hier nicht um den Schutz gegen tausend
sowjetische Raketen mit je zehn Sprengköpfen, sondern um die
Vorsorge gegen Erpressungsversuche eines Diktators, der über
25-50 Raketen verfügt.“ (Zitiert nach: Prof. Dr. Werner Kaltefleiter: Neue
Dimensionen in der Sicherheitspolitik; Institut für Sicherheitspolitik der Christian-
Albrichts-Universität Kiel, 1992)
3.1
Wozu eine Raketenabwehr?
Der letzte Golfkrieg gegen den Irak hat deutlich gemacht, wie wichtig
Raketenverteidigung ist, selbst wenn diese noch nicht ganz ausgereift ist.
Hätte Saddam Hussein damals über langstreckenfähige, ballistische Raketen
verfügt, wären auch europäische Städte bedroht gewesen. Diese Raketen in Verbindung
mit dem Massenvernichtungswaffen des Irak, hätten es vielleicht nicht zu einer
Koalition gegen den Irak kommen lassen. Eben dieses Potential ballistischer Raketen
macht diese Waffen so attraktiv für die Schurkenstaaten und ihrer Regierungen. Sie
üben unmittelbaren Zwang auf die bedrohten Staaten aus.
Da die USA in den meisten Konfliktfällen Luftüberlegenheit besitzen, sind
ballistische Raketen ein Mittel diesen Nachteil auszugleichen. Es ist billiger ballistische
Raketen zu bauen und zu unterhalten, als eine moderne Luftwaffe. Dazu sind mobile
Abschußrampen weniger verletzbar, als Flugzeuge am Boden. Schließlich können diese
36
Vgl.: Anderson, 1999, S. 1
15
Waffen auch mit konventionellen Gefechtsköpfen beträchtlichen Schaden anrichten,
wenn sie nur genau genug sind.
Fälschlicher Weise werden diese in strategische und taktische Raketen
unterschieden, was auf die Reichweite zurückgeführt wird. Dies Vorzugsweise um
Abrüstungsverhandlungen zu vereinfachen. Es wäre dabei sinnvoller diese Waffen nach
ihrer Verwendung zu kategorisieren. Denn nur die wenigsten Staaten, die sich heute
ballistische Raketentechnologie aneignen, verfolgen taktische Ziele, wie die
Bekämpfung gegnerischer Truppen. Vielmehr die Einschüchterung des Gegners, durch
die Bedrohung seiner Städte, steht im Vordergrund.
Ebenso bedeutend, ist die Möglichkeit eines versehentlichen Starts von Raketen,
zum Beispiel aus Rußland oder China. Die politische Lage in Rußland, könnte jeder
Zeit einen Zusammenbruch der Befehlskette über die nuklearen Arsenale auslösen, so
wie es bereits während des Putsches gegen Gorbatschow 1991 geschah. Auch hier wird
der Clinton-Regierung vorgeworfen, die Lage nicht richtig einzuschätzen, da sie
schlicht davon ausgeht, daß solche Fälle als relativ unwahrscheinlich zu betrachten sind.
Dies wird damit begründet, daß Rußland seine ICBMs seit der Entspannung auf die
offene See gerichtet hat. Dies ist sehr verwunderlich, da man dies nicht nachprüfen kann
und eine Reprogrammierung der Raketen auf ihre ursprünglichen Ziele in den USA sehr
einfach wäre.
Chinas Raketenpotential stellt momentan vielleicht keine unmittelbare Bedrohung
der USA dar, aber eine für seine Verbündeten in Asien. Die Rüstungsausgaben des
Landes haben in den letzten Jahren zugenommen, um die Streitkräfte zu modernisieren.
Diese Entwicklung fordert die Nachbarstaaten geradezu zum Wettrüsten heraus. Auch
Chinas ungewisser Weg in die Zukunft, sollte in den USA Anlaß zur Besorgnis sein37.
Ein aktueller Situationsbericht des US-Geheimdienstes geht daher von einer anderen
Einschätzung als die Clinton-Regierung aus. Es wird vermutet, daß in den nächsten 15
Jahren die direkte Bedrohung der USA durch ballistische Langstreckenraketen am
wahrscheinlichsten
von
Rußland,
China
und
Nord
Korea
ausgehen
Wahrscheinlich auch vom Iran und möglicherweise sogar wieder vom Irak38.
3.2
37
38
Bedrohung durch Proliferation
Vgl.: The Heritage Foundation’s Commission on Missile Defense, 1999, Kapitel 1
Vgl.: Heinlein; 1999, S. 1
16
wird.
Die Hauptgebiete der Proliferation ballistischer Raketentechnologie und von
Massenvernichtungswaffen sind heute der mittlere Osten und Süd Asien. Dabei sind die
VR China, Nord Korea, der Iran, der Irak, Libyen und Syrien zu nennen. Dies auf
Grund
des
offensiven
Charakters,
der
dort
in
Entwicklung
befindlichen
Waffenprogramme. Vor allem aber Rußland, die Volksrepublik China und Nord Korea,
haben in der Vergangenheit wiederholt Technologietransfer betrieben. Alle sechs
Staaten verfügen über ballistische Raketentechnologie, die US-Interessen bedrohen
könnte. Die Raketenproliferation ist ein reales und wachsendes Problem, sogar für das
Territorium der USA. Derzeit besitzen nur vier weitere Staaten das technische Potential,
daß Staatsgebiet der USA direkt zu bedrohen: Rußland, die VR China, Frankreich und
Großbritannien. Frankreich und Großbritannien fallen in dieser Konstellation weg, da
sie alliierte Kräfte darstellen. Die von Rußland ausgehende Bedrohung ist relativ und
China wird sein Potential, zumindest vorerst, auf den asiatischen Raum konzentrieren.
Beunruhigender sind die Schurkenstaaten wie der Iran, der Irak, Syrien und Libyen, die
seit längerer Zeit versuchen vergleichbare Potentiale aufzubauen39.
China ist ein großer Exporteur von Waffensystemen und Waffentechnologie. So
haben Libyen und der Irak in der Vergangenheit Material aus China erhalten, womit
Nuklearwaffen und Nervengase erzeugt werden können. Algerien wurde beim Bau
eines Atomreaktors unterstützt, der zur Atomwaffenforschung und Produktion genutzt
werden kann. Der Iran erhielt Technologien, die laut US-Geheimdiensten nur zur
Produktion von Atomwaffen sein konnten. Darüber hinaus, erhielt Pakistan in der
Vergangenheit Schiffsladungen mit Bauteilen für ballistische Raketen, um die
Reichweite des pakistanischen Arsenals auf 300 Meilen zu erweitern.
Nord Korea wird als die größte, wachsende Bedrohung des US-Territoriums
betrachtet. Unter den fünf Schurkenstaaten ist Nord Korea der technisch am höchsten
entwickelte und damit auch der größte Proliferant von ballistischer Raketentechnologie.
Das Land exportierte fortgeschrittene Raketentechnologie an Syrien und den Iran. Die
Scud-Raketen sind dabei eher unwichtig. Es geht um die Eigenentwicklungen des Typs
Taepo Dong I und II. Im August 1998 testete Nord Korea die erste, mehrstufige Taepo
Dong I, die dabei Japan überflog und schließlich in den Pazifik stürzte. Sie stellt einen
ungemein wichtigen Fortschritt in der Raketenentwicklung des Landes dar.
Beunruhigend ist dabei die Reichweite dieser ballistischen Rakete, die seitens des US-
Geheimdienstes mit ca. 4.000 Meilen angegeben wurde. Damit wären Alaska und die
39
Vgl.: Beard/Eland, 1999, S. 2
17
Hawaii Inseln erreichbar. Aber auch die US-Truppen, die in Süd Korea und Japan
stationiert sind, werden von nun an diesem Waffensystem ausgesetzt sein. Auch Nord
Koreas Aktivitäten im Bereich der ABC-Waffen, gibt Grund zur Beunruhigung.
Westliche Experten nehmen an, daß das Land genügend Plutonium erzeugt hat, um
eventuell zwei Bomben zu bauen. Dies noch bevor es den Vertrag von 1994
unterzeichnete, der einen Verzicht auf den Bau dieser Waffen vorsieht40.
Syrien hat als Reaktion auf die israelische Aufrüstung, ein beträchtliches
Raketenpotential aufgebaut. Anfang der 70er Jahre erhielt Syrien direkte Lieferungen
von Scud-B Raketen aus der UdSSR. Wenig später wurden diese durch Raketen
kürzerer Reichweite des Typs SS-21 ergänzt, ebenfalls aus der UdSSR. Dann folgte ein
Lieferung von Scud-C Raketen aus Nord Korea. Diese zeichnen sich durch erweiterte
Reichweite aus. Mit diesen ballistischen Raketen ist Syrien in der Lage, strategisch
wichtige Ziele im Norden Israels zu bekämpfen. Dies stellt auch eine direkte Bedrohung
für US-Truppen auf dem Luftwaffenstützpunkt Inçirlik in der Türkei dar. Darüber
hinaus erhielt Syrien Hilfe beim Bau von zwei Raketenfabriken von China, dem Iran
und Nord Korea. China lieferte daraufhin noch Bauteile für ballistische Raketen des
Typs M-11, die wahrscheinlich in Syrien zusammengesetzt werden. Die M-11 hat eine
Reichweite von 300 km.
Rußland lieferte zusammen mit den Bauplänen für die Gefechtsköpfe von Scud-B
Raketen, auch fertige Gefechtsköpfe mit dem Nervengas VX. Seitdem hat Syrien mit der
eigenen Produktion von chemischen Gefechtsköpfen begonnen. Laut einem Bericht des
Amtes für Waffenkontrolle und Abrüstung von 1996, wird die Möglichkeit, daß Syrien
auch in die Produktion von biologischen Waffen eingestiegen ist, als sehr
wahrscheinlich eingestuft.
Obwohl der Irak seit dem letzten Golfkrieg durch Sanktionen große Rückschläge
für seine verschiedenen Rüstungsprogramme erlitten hat, hat das Land noch immer die
Möglichkeit, diese nach einer endgültigen Aufhebung der Sanktionen wieder rasch
aufleben zu lassen. Vor allem ist nicht sichergestellt, ob UN-Inspektoren auch wirklich
alle Waffen des Irak erfaßt haben. Man nimmt an, daß der Irak in der Lage war, eine
Zahl an Raketen zu verstecken, die in der Lage sind chemische und biologische
Gefechtsköpfe zu transportieren. Es gelten allgemein nur zwei Drittel des ABC-
Arsenals als erfaßt. Tatsächlich hat der Irak bereits mit dem Wiederaufbau seiner
Arsenale begonnen, trotz der Sanktionen. Dazu wurde ein heimliches Netz von Firmen
40
Vgl.: Beard/Eland, 1999, S. 6
18
aufgebaut, die aus Rußland und Europa Technologie und Material beschaffen, um das
ballistische Raketenprogramm wieder zu beleben. Momentan darf der Irak kein
Raketensystem mit einer Reichweite über 150 km bauen. Sobald aber die UN-
Inspektionen enden, wird befürchtet, daß der Irak in Einklang mit der Direktive,
existierende Systeme konvertiert. Ebenso wird vermutet, daß mit dem Ende der
Inspektionen auch das biologische und chemische Waffenprogramm wieder
aufgenommen wird. Dafür können legal-kommerzielle Güter dienen, wie sie auf dem
freien Markt käuflich sind. Alternativ, könnte der Irak die Situation in Rußland zum
Kauf oder gar Diebstahl von nötigen Technologien nutzen41.
Libyen bekam wie auch andere Schurkenstaaten, die Basis für sein
Raketenpotential aus der UdSSR. 1976 lieferte die ehemalige UdSSR 240 Scud-B
Raketen und 80 Startvorrichtungen an Libyen. Auch wenn einige dieser Waffen an den
Iran verkauft wurden, verbleibt eine noch immer ausreichende Zahl an ballistische
Raketen mit einer Reichweite von 300 km. Damit kann ein großer Teil des
Mittelmeerraums
bedroht
werden.
Es
wurden
auch
eigene
Anstrengungen
unternommen, eine eigene Trägerrakete zu bauen, die in der Lage ist, einen 500 kg
Gefechtskopf über 1.000 km weit zu transportieren. Es handelt sich dabei um den Typ
Al-Fatah. Der bisherige Erfolg war dürftig und so wird auf ausländische Hilfe gehofft,
die das Projekt zum gewünschten Erfolg bringen kann. Es wurden dabei Experten in
den GUS und der Bundesrepublik Deutschland angesprochen. Auch Libyen hat, wie der
Irak und Syrien, Versuche unternommen in die Produktion von ABC-Waffen
einzusteigen,
was
aber
bisher
fehl
schlug.
Nach
einem
vergeblichen
Bestechungsversuch eines hohen, russischem Marineangehörigen, ist auch Rußland
momentan nicht bereit, irgendwelche Nukleartechnologien an Libyen zu verkaufen.
Dafür kann Libyen Erfolge in der eigenen Produktion von chemischen Kampfstoffe
verzeichnen.
Seit
1980
sind
ca.
100
t
an
Kampfstoffen,
darunter
auch
Nervenkampfstoffe, produziert worden. Trotz der seit 1988 verhängte Sanktionen gegen
Libyen, haben sich das ballistische Raketenarsenal und die Chemiewaffenproduktion
weiterentwickelt42.
Den Kern der iranischen Raketenstreitkräfte bildet die Scud-B, die von Libyen
und Nord Korea bezogen wurde. Zwischen 1987 und 1992 lieferte Nord Korea ca. 200-
300 Stück dieser ballistischen Rakete an den Iran. Israelischen Schätzungen zur Folge,
41
42
Vgl.: Beard/Eland, 1999, S. 5
Vgl.: Beard/Eland, 1999, S. 6
19
besaß der Iran 1997 250-300 Raketen und 8-15 Startvorrichtungen. Mit diesen Waffen
konnten Ziele in der östlichen Türkei, einigen Randstaaten der UdSSR und Golfstaaten
erreicht werden. Erst Kürzlich erwarb der Iran aus Nord Korea Raketen des Typs Scud-
C. Bis Mitte 1998 wurden 60 bis 100 erworben. 1992 unterzeichneten Nord Korea und
Der Iran einen Vertrag zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Nuklearwaffen
und fortgeschrittenen Raketensystemen, als Träger Für ABC-Waffen. Darüber hinaus
versucht der Iran gegenwärtig die No Dong, und die Teapo Dong I und II zu erwerben.
Damit könnte der Iran ein Reichweitenspektrum zwischen 1.000 und 4.000 km
abdecken. Mit koreanischer Hilfe wurden auch eigene Entwicklungen begonnen, wie
die Shahab-3 mit einer Reichweite von 1.300 km.
Laut einem Bericht des CIA von 1996, ist der Iran sehr aktiv auf dem Gebiet der
chemischen und biologischen Kampfstoffherstellung. Es werden jährlich bis zu 1.000 t
an Senfgas und Zyanid, sowie anderen Kampfstoffen hergestellt. Es wird weiterhin
vermutet, daß der Iran auch mit der Herstellung von biologischen Kampfstoffen
begonnen hat, wie Anthrax, Erregern der Maul- und Klauenseuche und Biotoxinen43.
Selbst Entwicklungsländer haben heute Zugriff auf die Technologien,
Massenvernichtungswaffen zu bauen. Die US-Regierung unter Präsident Clinton ist der
Ansicht, daß Raketenangriffe von diesen Staaten nicht in den nächsten 10 Jahren
mindestens zu befürchten sind. Diese Einschätzung geht von der Vermutung aus, daß
diese Länder wohl eher eigene Entwicklungen anstreben werden. In Anbetracht der
herrschenden Proliferation, ist diese Einschätzung aber äußerst fragwürdig. Es gibt
eindeutige Beweise die belegen, daß aus sowjetischen Beständen nukleare
Gefechtsköpfe verschwunden sind oder verdeckt verkauft wurden, zum Beispiel an den
Iran. Man spricht sogar von der Mafia der Generäle in Moskau. US-Geheimdienste
haben diesen Tatsachen bisher nur wenig Beachtung geschenkt, da die Regierung immer
noch an der Theorie festhält, daß andere Staaten eher an Eigenentwicklungen arbeiten.
Selbst wenn dem so ist, ist es für die meisten Länder heute nicht sonderlich schwer,
seitdem aus der GUS ein brain-drain44 eingesetzt hat. Nachdem Kollaps, wurden die
Ausgaben für die Produktion von ABC-Waffen auf fünf Prozent der Ausgaben wie zur
Zeit der UdSSR gesenkt. Viele der damit betrauten, russischen Wissenschaftler wurden
arbeitslos und schließlich für hohe Geldsummen von anderen Staaten angeworben. Ihre
43
Vgl.: Beard/Eland, 1999, S. 7 f
Brain-drain: Abwanderung von Fachleuten der Rüstungsbranche, die von anderen Staaten angeworben
werden
20
44
Zahl wird auf 1.500 geschätzt, und stellt damit ein zusätzliches Proliferationsproblem
dar45.
Die Steigerung von Raketenleistung hin zur Interkontinentalreichweite, kann
unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung von Raketentechnologie für den Start von
Satelliten erfolgen46. Damit ist auch die Grauzone erreicht, bei der die verschiedenen
Regime zur Vermeidung der Proliferation an ihre Grenzen stoßen. Dem dual-
purpose47.
3.3
Die verschiedenen Formen der US-Raketenabwehr
„[...] wir bestätigen das es eine Bedrohung gibt, eine wachsende
Bedrohung, und das wir erwarten, daß diese schon bald nicht
nur eine Gefahr für unserer Truppen in Übersee, sondern auch
für Amerikaner zu Hause sein wird [...]. Am 31. August, startete
Nord Korea eine Taepo Dong I Rakete [...]. Dieser Taepo Dong
I Test war ein weiterer, deutlicher Indikator, daß unser
Heimatland tatsächlich der Raketenbedrohung durch einen
Schurkenstaat gegenüber stehen wird, wogegen wir die Bürger
der USA verteidigen müssen.“ (zitiert nach: William S. Cohen, Secretary of
Defense, 20. Januar 1999; BMDO,1999, Fact Sheet JN 99-05)
Das NMD-Programm hat ein Ziel vor Augen, die Verteidigung der USA vor direkten
Angriffen mit ballistischen Raketen. Das aktuelle Programm sieht eine bodengestützte
Verteidigung vor, die aber nur einen limitierten Angriff abwehren kann. Ein massiver
Angriff mit ballistischen Raketen interkontinentaler Reichweite oder geringer
Reichweite wäre nicht abzuwehren. Da aber ein massiver Angriff vorerst nicht
wahrscheinlich scheint, ist die Bedrohung durch eine sehr begrenzte Zahl solcher
Waffen eher zu erwarten. Da für diesen Fall kein Verteidigungssystem bisher bestand,
wurde NMD ins Leben gerufen. Die politische Entscheidung zum tatsächlichen Aufbau
ist allerdings noch nicht gefallen. Das eigentliche System sollte innerhalb von drei
Jahren, nachdem die endgültige Entscheidung zum Aufbau getroffen ist, in die Realität
umgesetzt werden. Dazu soll im Jahr 2000 eine DRR - Deployment Readiness Review48
einberufen werden. Um eine positive Entscheidung zu fällen, müssen zwei Kriterien
erfüllt sein. Es muß unverändert weiterhin eine klare Bedrohungslage geben, der durch
das System begegnet werden kann, und es müssen die technologischen und finanziellen
45
Vgl.: Warner, 1999, S. 1
Vgl.: The Heritage Foundation’s Commission on Missile Defense, 1999, Kapitel 1
47
dual-purpose: Militärische Nutzung sonst ziviler Technologien
46
21
Grundsteine gelegt sein, um das Programm alsbald umzusetzen. Im Januar 1999
verkündete der US-Verteidigungsminister, daß die Kriterien schon bald erfüllt sein
werden. Allerdings wurde die Umsetzung des Programms zum System frühestens auf
2005 festgelegt, statt 200349. Das System wird auf fünf Komponenten basieren:
1. dem GBI - Ground Based Interceptor50
2. dem XBR - X-Band Radar
3. dem UEWR - Upgraded Early Warning Radar51
4. dem BM/C3 - Battle Management/Command,
Control and Communications52 und
5. dem SBIRS – Space Based Infrared System53
Die Gefechtsfeld-Raketenabwehr ist mit ein Bestandteil des NMD, da den Interessen der
USA in Übersee mit den dazugehörigen Waffensystemen Nachdruck verliehen wird.
Durch die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und ballistischen Raketen, ist
die Einführung von Abwehrsystemen nur die logische Konsequenz. Der Schutz der
eigenen und verbündeter Kampftruppen auf dem Gefechtsfeld ist dabei die Priorität.
Sekundäre
Aufgaben
beinhalten
den
Schutz
von militärischen
und
zivilen
Einrichtungen, gegen Angriffe mit ballistischen Raketen geringer und mittlerer
Reichweite.
Die moderne Bodenkriegführung erfordert aber schnell bewegliche Truppen, mit
sehr mobilen Waffensystemen. Dabei fallen die Bereiche der Luftraum- und
Bodenverteidigung zusammen. Dafür gibt es hoch mobile Systeme, die entweder schon
eingeführt sind oder noch getestet werden, und stellen die wichtigsten Teile der US-
Gefechtsfeld-Raketenabwehr dar. Zu diesen Systemen gehören:
1. PAC-3 - Patriot Advanced Capability 354
2. MEADS - Medium Extended Air Defense System55
3. THAAD - Theater High Altitude Area Defense (System)56
48
DRR: Revision der Einsatzbereitschaft
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheet JN-99-05
50
GBI: Bodengestützter Interzeptor
51
UEWR: Verbessertes Frühwarnradar
52
BM/C3: Gefechtsführung/Kommando, Kontrolle, und Kommunikation
53
SBIRS: Endoatmosphärisches Infrarotsystem
54
PAC-3: Patriot mit erweiterten Fähigkeiten, Typ 3
55
MEADS: Mittleres, erweitertes Luftverteidigungs-System
22
49
4. TBMD - Navy Area Ballistic Missile Defense (Program)57 und
5. NTW - Navy Theater Wide Ballistic Missile Defense (Program)58.
Im folgenden Teil werden die verschiedenen Waffensysteme des NMD und TMD
vorgestellt. Dabei werden ihre Funktionsweise und Komponenten erläutert und gegeben
Falls auch die voraussichtliche Einsatzbereitschaft der Systeme betrachtet, sofern sie
sich nicht schon im Einsatz befinden.
National Missile Defense Systems
GBI
Der GBI besteht aus einem Fernlenkflugkörper, dem PLV - Payload Launch Vehicle59,
mit dem sogenannten EKV - Exoatmospheric-Kill-Vehicle60. Das EKV verfügt über
eigene Sensoren, Antrieb, Kommunikation, Lenkung und Datenverarbeitung. Diese,
zum erfolgreichen Abfangen gegnerischer Flugkörper notwendigen, internen Systeme,
sind alle miteinander verknüpft. Die Trägerrakete dient nur zur optimalen Annäherung
an das Ziel. Den Rest des Weges legt das EKV alleine Zurück. Die Zerstörung des Ziels
erfolgt kinetisch, also durch den Zusammenstoß beider Flugkörper.
Zur Steuerung des GBI werden das BM/C3 und bemannte Konsolen verwendet.
Die Interzeptoren werden in Silos startbereit gelagert.
Mit der Entwicklung und dem Bau des EKV sind zwei US-Firmen beauftragt
worden. Boeing und Raytheon. Der erste, erfolgreiche Testflug des Boeing-Modells
erfolgte im Juni 1997. Raytheon führte den ersten, ebenso erfolgreichen Test, im Januar
1998 durch. Allerdings wurde im Dezember 1998 das Raytheon-Modell für die
Weiterentwicklung eines endgültigen EKV ausgesucht. Für das vorläufige Test-PLV
wurde ein Modell von Lockheed Martin ausgesucht. Es besteht aus ausgedienten Stufen
von Minuteman II Trägerraketen (ICBMs), die für die Tests den Zweck erfüllen. Als
Endgültige PLV, werden aber dreistufige Trägerraketen entwickelt, die ab dem Jahr
2000 in drei Tests noch ihre Tauglichkeit beweisen müssen. Auch bei dem endgültigen
Modell, wird auf bereits vorhandene Bauteile zurückgegriffen61.
56
THAAD: Weitreichendes, areales Gefechtsfeld Luftverteidigungs-System
TBMD: Areale Verteidigung der Marine, vor ballistischen Raketen
58
NTW: Erweiterte Gefechtsfeldverteidigung der Marine, vor ballistischen Raketen
59
PLV: Nutzlast Trägerrakete
60
EKV: Exoatmosphärischer, kinetischer Gefechtskopf
61
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheeet JN-99-09
23
57
XBR
Die X-Band Radars sind Multifunktionsradars und werden auf vorgeschobenen Posten
oder innerhalb der USA am Boden installiert. Sie dienen der Erfassung, Verfolgung,
Ermittlung und Bekämpfung gegnerischer Sprengköpfe. Das System benutzt
Hochfrequenz Radarsignale und eine verbesserte Signalverarbeitung, die es erlauben,
zwischen Sprengköpfen, Trümmern und Täuschkörpern62 zu unterscheiden.
UEWR
Die Frühwarnradars sind große, am Boden stationierte Überwachungs-Phasenradars. Sie
dienen der Erfassung und Verfolgung von ballistischen Raketen, die auf die USA
gerichtet sind. Die weiterentwickelten Modelle werden forgeschobene Posten sein und
damit die Überwachungsfähigkeit des NMD noch steigern.
BM/C3
Dieses System stellt das „Gehirn“ des NMD dar. Im Falle eines Angriffs auf das
Territorium der USA, wird der Oberbefehlshaber von NORAD über BM/C3 das ganze
NMD-System kontrollieren und steuern. Vor allem werden die vom System
gesammelten Daten den Einsatz der Interzeptoren vereinfachen und dabei ständig einen
aktuellen Situationsreport liefern. Die Interzeptoren stehen über das integrierte IFICS –
In-Flight Interceptor Communications System63 mit dem BM/C3 immer im Kontakt,
und können während des Flugs bis zur Kollision Befehle empfangen.
62
63
Atrappen, die die Interzeptoren von den eigentlichen Sprengköpfen ablenken sollen
IFICS: Im-Flug Interzeptorkmmunikationssystem
24
SBIRS
Das SBIRS wird in zwei Typen eingeteilt. Eins für den hohen Orbit und eins für den
niedrigen Orbit. Beide Systeme Gehören zu den Komponenten des NMD die zuletzt
eingeführt werden sollen. Diese Satelliten gehören zum Frühwarnsystem, zusammen
mit XBR und UEWR. Der Vorteil der exoatmosphärischen Früherkennung, liegt in der
Überwindung der Erdkrümmung und damit in der maximal frühzeitigen Erkennung
herannahender Ziele. Erfassung und Verfolgung, erfolgen auf Basis der Wärmesignatur
der Antriebe von Trägerraketen. Die Daten werden an BM/C3 übermittelt und erlauben
eine schnelle Berechnung der Interzeptoreinsätze. Damit werden Feindflugkörper
bekämpft, bevor sie in die Reichweite des XBR kommen, was von großer Bedeutung für
die Effektivität des NMD ist64. SBIRS wir voraussichtlich nicht vor 2010 einsatzbereit
sein.
Theater Missile Defense Systeme
PAC-3
Das PAC-3 basiert auf dem hinreichend bekannten Luftverteidigungssystem Patriot.
Das ursprüngliche System entstand bereits 1985, und war auf die Luftverteidigung vor
Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern ausgelegt. Mit der Veränderung der
Kriegführung auf dem Gefechtsfeld und der zunehmenden Bedrohung durch die
Proliferation von Massenvernichtungswaffen, wurde mit der Zeit zunehmend die
Funktion von Patriot als Raketenabwehrsystem betont. Den ersten realen Einsatz
erlebte das System im letzten Golfkrieg 1991. Seit diesem Kriegseinsatz, betrachtet man
Patriot als einen Kernteil der US-Raketenabwehr. Was PAC-3 von seinen Vorgängern
(PAC-1 u. 2) unterscheidet, sind die kleineren Interzeptoren mit erhöhter Feuerkraft, ein
verbessertes Radar, verbesserte Feuerleitkontrolle und Überlebensfähigkeit65. Dies soll
zu einer Erweiterung des Gefechtsraumes und der Reichweite führen. Das System
besteht
aus
vier
Komponenten:
Management/Command,
Abschußvorrichtung
und
Control,
den
dem
Radar,
Communicatios
Interzeptoren.
Alle
dem
and
BM/C3I
–
Intelligence66,
Komponenten
sind
Battle
der
auf
Radtransportern montiert. Um eine lückenlose Raketenabwehr zu gewährleisten, muß
64
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheet JN-99-06
In Bezug auf die Wirkung feindlicher Systeme
66
BM/C3I: „Gefechtsführung/Kommando, Kontrolle, Kommunikation und Aufklärung“
25
65
das System mit anderen Teilstreitkräften und Systemen interoperabel und luftverlastbar
sein.
PAC-3 wird im Jahr 2001 einsatzbereit sein. Zu den Aufgaben des Systems gehört
es die Truppen, militärische und zivile Einrichtungen vor ballistischen Raketen kurzer
und mittlerer Reichweite zu schützen, vor Cruise-Missiles67 und vor Kampfflugzeugen
und Hubschraubern. PAC-3 bekämpft Ziele in der terminalen Phase68 kinetisch. Das
bedeutet, daß durch die Wucht des Zusammenstoßes zwischen dem Zielobjekt und dem
Interzeptor, eine ausreichende Fragmentierung des Ziels durch Kollision und schließlich
Detonation des Treibstoffs garantiert wird69.
MEADS
Der
Vorgänger
von
MEADS
war
SAM
-
Surface
to
Air
Missile,
ein
Luftverteidigungssystem. SAM wurde eingeführt, um das veraltete HAWK-System zu
ersetzen, das bereits seit 1960 im Dienst war. SAM wurde schließlich Anfang der 90er
Jahre zum MEADS. Die Vereinigten Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und
Italien planen gemeinsam MEADS zu entwickeln und zu nutzen und unterzeichneten
1995 einen Vertrag. Die Produktion in den drei Ländern wird wahrscheinlich 2003
beginnen und in 2007 werden die ersten Einheiten an die Truppen ausgeliefert.
MEADS wird entwickelt, um die Anforderungen von sich schnell am Boden
bewegenden Kampftruppen zu befriedigen, die eine genauso mobile Luftverteidigung
benötigen. Dabei soll MEADS die Lücke zwischen den tragbaren (wie z.B.: Stinger)70
und den großen (wie z.B.: PAC-3 oder THAAD) Abwehrsystemen schließen. Ziele von
MEADS sind taktisch ballistische Raketen kurzer Reichweite, Cruise Missiles und
Flugzeuge und Hubschrauber. Ein besonderes Merkmal des Systems, ist die schnelle
Luftverlastbarkeit und die schnelle Verlegungsfähigkeit am Boden. Dabei kann das
System von den Kampftruppen direkt zum Gefechtsfeld mit geführt werden. Der Vorteil
zu anderen Systemen liegt in der hohen Feuerkraft und der geringen Zahl an
Bedienungspersonal.
Die Abschußvorrichtungen, das 360° Radar und die Feuerleitanlage sind auf
Radtransportern montiert und damit hoch mobil. Die Modulbauweise der Interzeptoren
erlaubt die spezifische Anpassung für den Auftrag auf dem Gefechtsfeld, ja nach dem,
67
Cruise-Missile: Marschflugkörper
Endphase des Anflugs auf das Ziel
69
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheet AQ-99-04
68
26
was für eine Art von Bedrohung erwartet wird. Die Vernetzbarkeit der Leitsysteme
erlaubt ein hohes Maß an Interoperabilität mit anderen, bereits existierenden Systemen
und den Alliierten71.
THAAD
Das THAAD gehört zu den bisher am meisten ausgereiften Raketenabwehrsystemen. Im
Vergleich zu den bisher genannten Systemen, hat THAAD keine Vorgänger. Die
Systementwicklung begann 1992 in den USA. Der erste Flugtest erfolgte 1995, und
1999 der erste, endoatmosphärische Abfangversuch. Die Testserie wird noch
fortgeführt. Das System wird voraussichtlich 2007 an die Truppen ausgeliefert. In
Anbetracht der Tatsache, daß heute eine zunehmende Gefahr durch die Proliferation von
ballistischen
Raketen
und
Massenvernichtungswaffen
in
den
verschiedenen,
potentiellen Krisenherden existiert, verfolgen die USA mit der Einführung von THAAD
zwei grundlegende Ziele. An erster Stelle steht die mobile Gefechtsfeld-Raketenabwehr
für Truppeneinsätze in Übersee zu gewährleisten. Politisch sollen andere Staate davon
abgebracht werden, ballistische Raketen als strategisches Mittel zu betrachten,
Angesichts der effektiven Abwehrmöglichkeiten.
Die primäre Aufgabe von THAAD ist es daher, den Angriff durch ballistische
Raketen abzuwehren, bevor sie in die Nähe des Gefechtsfeldes kommen können. Daher
muß das Abfangen bereits in der Endo- oder Exoatmosphäre stattfinden, wo die
Massenvernichtungswaffen bei ihrer Zerstörung keine Bedrohung mehr für die
Bodentruppen darstellen. THAAD hat die Fähigkeit Ziele in großer Höhe und
Entfernung zu bekämpfen. Die Zerstörung der Ziele erfolgt durch kinetische Kraft. Das
heißt, wie bei PAC-3, daß die Aufprallenergie beim Zusammenstoß von Ziel und
Interzeptor, eine ausreichende Fragmentierung und damit Zerstörung des Ziels sicher
stellt.
Das System besteht aus vier Komponenten: den auf Radtransportern montierten
Startvorrichtungen für die Interzeptoren, den Interzeptoren, dem Radar und dem
BM/C3I. Es kann mit den anderen Systemen vernetzt werden und ist damit
interoperabel. Um die Mobilität zu erhöhen ist das System auch luftverlastbar. Damit
bildet dieses System das Kernstück der zukünftigen US-Gefechtsfeldraketenabwehr72.
70
Stinger sind Raketen, die so dimensioniert sind, daß sie durch eine Person transportiert und bedient
werden können
71
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheet AQ-99-11
72
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheet AQ-99-05
27
TBMD
Die klassischen Aufgaben der US-Marine hatten sich bisher nur auf die Verteidigung
von eigenen Einheiten, der Unterstützung von Landungsoperationen und der See- und
Luftraumüberwachung und Verteidigung, besonders in Übersee, konzentriert. Mit
TBMD werden die taktischen Möglichkeiten stark erweitert. Die Zielsetzung von TBMD
ist es, auch von See aus eigene Bodentruppen und alliierte Streitkräfte in Arealen
nationalen Interesses, vor möglichen Angriffen mit ballistischen Raketen mittlerer und
großer Reichweite zu verteidigen. Vor allem soll es die Boden gestützten Systeme
ergänzen und Bedrohungen früh erkennen und bekämpfen. Schließlich soll es
Landungszonen und Flugfelder absichern, während PAC-3, MEADS oder THAAD noch
herangeschafft werden müssen. Das endgültige System wird auf Schiffen vom Typ
AEGIS73 installiert sein. Dazu werden die Gefechtsleitsysteme (Ortung und
Feuerleitanlage) und die Interzeptoren vom Typ SM-274 modifiziert.
Die Vorteile von TBMD liegen praktisch auf der Hand. Da jede US-Flotte darüber
verfügen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, daß es noch vor Land gestützten Einheiten
am Krisenpunkt eintrifft, sehr hoch. Da die Flotten sich in internationalen Gewässern
bewegen, bedarf es nicht der Zustimmung fremder Regierungen, TBMD einzusetzen.
Sollten sich US-Truppen den Weg ins Einsatzgebiet erkämpfen müssen, haben sie
bereits kritische Luftraumverteidigung vor Ort. Vor allem wird TBMD die logistischen
Kapazitäten der Luftwaffe und der Marine entlasten, die nur noch bedingt PAC-3,
MEADS oder THAAD transportieren müssen, sondern Nachschubgüter wie Truppen,
Munition, Panzer und andere Fahrzeuge, die auf dem Gefechtsfeld dringend benötigt
werden. Das System wird voraussichtlich 2003 voll im Eisatz sein75.
NTW
NTW wurde Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen. Technisch basiert es auf den
bereits im Einsatz befindlichen Marine-Raketensystem SM-2, wie es auch für TBMD
benutzt wird. Zusätzlich wurde bereits zwischen 1992 und 1995 ein weiterer
Interzeptortyp eingeführt, die Terrier Missile. Dabei handelt es sich um ein LEAP -
Light Exoatmospheric Projectile76.
73
AEGIS: Kreuzer der Ticonderoga- und Arleigh Burke-Klasse; Guided Missile
Cruiser/Fernlenkflugkörper Kreuzer
74
SM-2: Standard Missile 2
75
Vgl.: BMDO, 1999, Fact Sheet AQ-98-02
76
LEAP: Leichtes, exoatmosphärisches Projektil
28
Wie bei TBMD, sollen auch hier die AEGIS-Einheiten mit dem System als
Standard ausgerüstet werden, die einen Schutz vor Angriffen mit ballistischen Raketen
mittlerer und großer Reichweite bieten werden. Der Vorteil des Systems liegt in der
nahezu weltweiten Mobilität der Schiffe, die das System dauernd mitführen werden.
Somit kann schon in einer frühen Phase eines Konflikts eingegriffen werden. Wenn die
Einheiten so nah wie möglich dem Startpunkt von Feindflugkörpern sind, können sie
diese bereits in der Aufstiegsphase bekämpfen, also bevor sie dem Gefechtsfeld zu nahe
kommen können. Sollte dies nicht möglich sein, werden die Feindflugkörpern in der
Exoatmosphäre durch einen kinetischen Gefechtskopf zerstört. Diese Taktik des
„Forward Deployment“77 vergrößert den Verteidigungsraum. Mit THAAD zusammen,
stellt es die Raketenabwehr im Fernbereich dar. Das System wird voraussichtlich nach
2001 voll einsetzbar sein.
4.
Die Kritik an der US-Raketenabwehr
4.1
Der technische Aspekt
Die Kritik an den technischen Eigenschaften von NMD und TMD halten sich in
Grenzen, da das US-Militär sich zu Fehlschlägen in den Testserien der verschiedenen
Waffensysteme nur widerwillig oder gar nicht äußert. Dennoch wird von
Wissenschaftlern die Wirksamkeit der US-Raketenabwehr bezweifelt, selbst eine
eingeschränkte.
An erster stelle steht das Patriot System. Die US-Armee gibt die Trefferquote mit
60 % an. Das mag für PAC-3 zutreffen, trotzdem hat Patriot im letzten Golfkrieg 1991
beim abfangen irakischer Scud Raketen über Israel nur mäßige Ergebnisse erzielt. Es
wird daher bezweifelt, daß PAC-3 unter realen Gefechtsbedingungen eine so hohe
Trefferwahrscheinlichkeit aufweisen wird. Schließlich wird auch das THAAD System
bezüglich seiner Treffergenauigkeit kritisiert. Seit Beginn der Testserie 1995, wurden
sieben Abfangtests durchgeführt. Davon war tatsächlich nur einer bisher erfolgreich78.
77
78
Deut.: vorgeschobener Einsatz(raum)
Vgl.: Dupont, 1999, S. 69
29
In der Entwicklung der Interzeptoren für das NMD, wurden seit 1985 bis heute 17
Tests durchgeführt. Von diesen waren nur drei erfolgreich. Da die ICBMs russischer
Bauart mit Täuschkörpern ausgerüstet sind, ist der Erfolg der Raketenabwehr um so
mehr von den Fähigkeiten der Ortungs- und Feuerleitsysteme abhängig. Die
Unterscheidung zwischen zu bekämpfenden Gefechtsköpfen und Täuschkörpern stellt
dabei höchste Ansprüche an die Systeme. Die bisher durchgeführten Tests können keine
Gefechtsbedingungen nachstellen, sondern immer nur idealisierte Bedingungen79. Die
eigentliche Tauglichkeitsprüfung des gesamten Systems wäre damit gleichzeitig der
Ernstfall. Daher stellt sich die Frage, ob sich eine ganze Nation auf ein Abwehrsystem
verlassen will, das in Freidenszeiten seine Fähigkeiten nie zu 100 % unter Beweis
stellen kann. Das TMD wird wahrscheinlich noch am ehesten mit diesem Fall
konfrontiert werden, wenn es mit all seinen Komponenten zum Einsatz kommt.
4.2
Der politische Aspekt
Rußland beschuldigte im Oktober 1999 die USA, gegen den ABM-Vertrag von 1972
verstoßen zu haben. Dieser Vorwurf kam als Folge auf einen erfolgreich durchgeführten
Interzeptortest über dem Pazifik80. Von russischer Seite wird dieser Test als erster
Schritt der USA gewertet, aus dem ABM-Vertrag auszusteigen.
Rußland erwägt daher die Wiederaufnahme des Baus von Interkontinentalraketen
des Typs Topol-M81, der unter den Restriktionen des START I-Vertrags bisher
eingestellt wurde. Vor allem könnte man diese und noch weitere Schritte als Reaktion
einleiten, ohne bedeutende Erhöhung der Rüstungskosten zu verursachen. Die
Produktion der Topol-M ist bereits wieder angefahren und bis Ende 1999 könnten
bereits 20 davon einsatzbereit sein. Der russische Verteidigungsminister Igor Sergejev
verweist darauf, daß auch der Austritt der USA aus dem ABM-Vertrag, daß
Raketenpotential Rußlands in keiner Weise schwächt oder verringert. Experten
bezweifeln ernsthaft, daß NMD in der Lage wäre zwischen 300-350 strategische
Raketen abzufangen oder Rußland zwischen 2007-2010 in der Lage sein wird mehr als
600-700 nukleare Gefechtsköpfe zu unterhalten82. Rußlands Empörung über die US-
Initiative könnte aber auch anderen Ursprungs sein. So zum Beispiel liegt die
79
Vgl.: Lewis/Pike/Postol, 1999, S.: 67-69
Zerstörung einer Minuteman ICBM, die in Kalifornien gestartet wurde, durch einen NMD-Interzeptor,
der auf den Marshall Inseln gestartet wurde
81
Laut russ. Angaben, kann Topol-M jeden Abwehrschild überwinden
80
30
Vermutung nahe, daß das NMD-Programm vielleicht doch effektiv genug sein könnte,
um die russischen Offensivwaffen weitgehend zu neutralisieren. Damit wäre ein
Kräfteungleichgewicht geschaffen. Denn die finanziellen Möglichkeiten Rußlands sind,
unter dem Druck westlicher Kreditabhängigkeit, nicht vorteilhaft. Die US-Regierung
argumentierte, daß es sich bei NMD nur um einen Abwehrschild begrenzter Kapazität
handelt, der zur Abwehr limitierter Angriffe durch Terroristen oder Schurkenstaaten
eingerichtet werden soll. Er wäre also nicht wirksam, bei einem massiven Angriff des
russischen Nukleararsenals83. Daher zeigt die russische Reaktion eine gewisse
Fehleinschätzung der US-Intentionen. Das NMD-Programm wurde nie in Form des
ehemaligen SDI angelegt, scheint aber für Rußland genau diese Ziele zu Verfolgen.
General-Oberst
Vladimir
Yakovlev,
Oberbefehlshaber
der
russischen
Raketenstreitkräfte, sieht zwei weitere Gefahren, die auf die USA und Rußland
zukommen. Die jetzigen Bemühungen der USA könnten zur Verschlechterung der
bilateralen Beziehungen führen. Schließlich würde es zum wachsenden Mißtrauen
kommen,
da
Rußland
mit
Sicherheit
die
zugesagte
Kooperation
bei
Waffeninspektionen, im Zuge verschiedener Abkommen, zurücknehmen wird.
Mangelnde Transparenz wird unweigerlich dazu führen, daß sich die Länder nicht mehr
einschätzen können. Damit wäre ein politisches Umfeld geschaffen, daß dem des kalten
Krieges sehr ähnlich wäre.
Aber noch bedeutender, wäre die Auswirkung auf den NPT - Non-Proliferation
treaty84. Der Zusammenbruch der russisch-amerikanischen Verhandlungen könnte ein
falsches Zeichen setzen, für Länder der dritten Welt oder Schurkenstaaten, die bereits
Massenvernichtungswaffen besitzen oder anschaffen wollen. Wenn die USA tatsächlich
aus dem ABM-Vertrag aussteigen sollten, würden die Generäle in Moskau dafür sorgen,
daß die russische Duma START II nicht ratifiziert85.
Auch in den USA selbst, hat die Raketenabwehrpolitik Kritiker. Dabei geht es
vornehmlich um die Einschätzung der Drohenden Gefahr für die USA, die von den
bereits erwähnten Schurkenstaaten ausgeht. Basis für die offizielle Kritik ist ein Bericht
der Rumsfeld Kommission, angeführt vom ehemaligen US-Verteidigungsminister
Donald Rumsfeld, die die Einschätzungen der nationalen Geheimdienste als zu
optimistisch bzw. schlicht falsch einstuft. Die Geheimdienste sind die wichtigste Quelle
82
Vgl.: Denisov, 1999, S. 1
Vgl.: Heinlein, 1999, S. 1
84
NPT: Nicht Verbreitungsvertrag für Massenvernichtungswaffen und Technologien
85
Vgl.: Denisov, 1999, S. 1
31
83
für die frühzeitige Wahrnehmung von Gefahren, die von der Proliferation und dem
technischen Fortschritt im Bereich der ballistischen Raketen, insbesondere bei den
Schurkenstaaten, ausgeht. Die Einschätzungen der Geheimdienste beeinflussen daher
natürlich auch die Meinungen von politischen Entscheidungsträgern. Andererseits
können eben diese Einschätzungen auch den allgemeinem Standpunkt der Regierung
widerspiegeln, und damit als Instrument zur Durchsetzung einer bestimmten Politik
dienen. Beide Aspekte sind als kontraproduktiv zu betrachten.
Der Bericht der Rumsfeld Kommission gilt daher als der momentan realistischste
und unpolitischste Bericht zur Bedrohungslage der USA, durch ballistische Raketen und
Massenvernichtungswaffen. Er korrigiert sogar die Fehleinschätzungen des US-
Geheimdienstberichtes von 1995. Dabei wird darauf hingewiesen, daß die
Geheimdienste einem Trugschluß unterliegen, wenn sie den Zeitraum für die
Entwicklung ballistischer Raketen großer Reichweite Nord Koreas, des Irans und Iraks
auf nicht unter 15 Jahren schätzen. Die Rumsfeld Kommission vermutet besten Falls
einen Zeitraum von fünf Jahren und für den Irak eventuell noch 10 Jahre, bis diese
Länder der Peripherie der USA ernsthaft schaden können. Dabei ist es durchaus
möglich, daß die Geheimdienste nicht feststellen können, wenn diese Länder definitiv
an solchen Waffensystemen arbeiten. Diese Entwicklungen schreiten schneller voran,
als die Berichte es vermuten lassen. Die Vorwarnzeit und die geplante
Einsatzbereitschaft für die Raketenabwehr reduziert sich daher drastisch. Dabei wurden
Faktoren, wie die Verlegung von einsatzbereiten Waffensystemen, zeitlich verkürzte
Testserien, die sogar in Drittländern durchgeführt werden können und die Möglichkeit,
Waffensysteme unerkannt von See aus oder aus der Luft zu starten, mit berücksichtigt.
Dennoch hat der Kommissionsbericht es nicht vermocht, die Haltung von
Schlüsselpersonen in der Clinton-Regierung maßgeblich zu ändern. Der US-Generalstab
ist sich dennoch sicher, daß die Geheimdienste weiterhin in der Lage sein werden,
ausreichend Informationen über die eigenständigen Entwicklungen und erworbenes
Material der Schurkenstaaten zusammenzutragen86. Es wird als sehr unwahrscheinlich
betrachtet, daß solche Entwicklungen den Geheimdiensten entgehen könnten, und damit
eventuell auch die Entwicklung des US-Raketenabwehrprogramms beeinträchtigen.
86
Vgl.: Beard/Eland, 1999, S.: 11-18
32
5.
Abschließende Betrachtung
Wie beschrieben, hat die Initiative der USA zur Abwehr ballistischer Raketen, bereits
früh eingesetzt. Dabei stand das Problem der unkontrollierten Proliferation von
Massenvernichtungswaffen und ihren Trägerwaffen noch nicht zur Debatte. Im Zuge
des kalten Krieges, hat die politische Konfrontation der Großmächte alles in den
Schatten gestellt. Gegenseitige Bedrohung bzw. Abschreckung gehörten zu den
selbstverständlichen Mitteln, politischen Ansichten oder Meinungen Nachdruck zu
verleihen und gleichzeitig die Gegenseite vom Einsatz nuklearer Waffen abzuhalten.
Erst
später
erkannte
man
die
Gefahr,
die
durch
die
Proliferation
von
Waffentechnologien oder kompletten Systemen drohte. Dabei muß man anmerken, daß
die Großmächte dabei nicht ganz unschuldig sind. Aus dem Kreis der traditionellen
Nuklearmächte, wurde ebenfalls früh klar, gab es den Fluß von Technologietransfer in
Länder mit fragwürdigen Motiven. Während die USA keinen Transfer von
Waffentechnologie unternahmen, zumal die verbündeten Länder eigenen Technologien
entwickelt hatten, haben die ehemalige UdSSR und die VR China und später auch Nord
Korea die Weitergabe von Waffentechnologien betrieben.
Die heute desolate Situation der russischen Wirtschaft und die politisch instabile
Lage des Landes, haben es erst recht möglich gemacht, daß so kritische Technologien
wie für ABC-Massenvernichtungswaffen und ballistische Raketen zum Handelsgut
geworden sind. Nicht die politischen Verbindungen entscheiden wer diese bekommt,
sondern wer sie bezahlen kann. In wieweit der Staat darüber noch die Kontrolle hat, ist
sehr fragwürdig. Und wie sehr die verschiedenen Regime des NPT es vermögen dies zu
unterbinden, ist ebenso fragwürdig. Die Proliferation hat es zuvor gegeben und es daher
sehr unwahrscheinlich, daß man sie gänzlich unterbinden oder kontrollieren könnte.
Es ist daher nicht weiter verwunderlich, daß die USA nach einem Fehlschlag wie
SDI, die Idee des funktionsfähigen Abwehrschirms nicht aufgeben wollten. Wenn man
sich schon nicht auf Verträge verlassen kann, dann doch auf eine Abwehrtechnologie,
selbst wenn diese nur einen begrenzten Umfang hat. Allerdings schien für die Clinton-
Regierung dies keine wirkliche Bedeutung zu haben, was sich erst unter dem Druck der
republikanischen Mehrheit im Senat änderte.
Die USA haben allerdings zwei grundlegende Probleme, die die NMD- und TMD-
Programme betreffen. Die Republikaner im US-Senat sehen die Installation des NMD
als zwingend notwendig an, denn die Bedrohung durch die Schurkenstaaten hat
33
zugenommen, mit der Option, in naher Zukunft mit ballistischen Raketen auch das
amerikanische
Heimatland
erreichen
zu
können.
Das
NMD-Programm
zur
Landesverteidigung kann frühestens 2005 einsatzbereit geliefert werden. Also erst in
fünf Jahren. Es stellt sich hier die Frage, ob eben die bereits ausführlich beschriebenen
Schurkenstaaten, nicht vielleicht doch ihre Raketenentwicklungen eher zur Einsatzreife
bringen könnten als angenommen wird. Vielleicht früher als das NMD. Dabei ist der
Zeitraum bis zur Einsatzreife des US-Raketenabwehrschilds eben nur ein geschätzter.
Denn niemand wird garantieren wollen oder können, daß es nicht zu Verzögerungen
kommen könnte, die die Fertigstellung des gesamten Systems um eine unbestimmte Zeit
zurückwerfen können.
Schließlich wird das fertige System eigentlich noch immer keine Garantie für eine
funktionierende Abwehr sein. Zwar werden die Einzelkomponenten des Systems auf
Herz und Nieren getestet, bevor sie übernommen werden, aber dennoch bleibt die
Erfolgsquote beim Einsatz des Systems Spekulation. Die durchgeführten Tests können
nur zum Teil realistische Bedingungen simulieren, womit eine Ungewißheit über das
System bleibt, die sich nie eliminieren lassen wird. Aber auch der Glaube an etwas kann
schließlich beruhigen. Der absolute Test nämlich, ist und bleibt der Ernstfall der reale
Einsatz. Von dem aber alle hoffen, daß er nie eintritt.
Für die TMD-Systeme gelten dieselben zwei Betrachtungen. Allerdings wird sich
ihre Trefferquote, und damit ihre fehlerfreie Funktion wahrscheinlich eher beweisen
lassen, als beim NMD. Angesichts der US-Außenpolitik und Truppenpräsenz in
Übersee, wird sich dies früher oder später zeigen. Sollte sich an der Bedrohungslage
nichts grundlegendes ändern, wird wahrscheinlich das TMD noch wichtiger werden als
das NMD. Wie beschrieben, können nämlich die TMD-Systeme als vorgeschobene
Landesverteidigung betrachtet werden. Sie können den potentiellen Gegner und seine
Massenvernichtungswaffen und die Trägersysteme bereits im Vorfeld bekämpfen. Die
Seemacht spielt dabei eine übergeordnete Rolle, da sie hoch mobil ist und bestimmte
Systemkomponenten ständig mitführen wird. Und wie bei Reagans SDI, scheint die
strategische Rolle der US-Unterseeboote noch nicht ganz ausgeschöpft. So beginnt
quasi die Verteidigung auf See!
Die russische Kritik, an dem von den USA eingeschlagenen Kurs, hat vielleicht
auch noch andere Gründe. Moskau warnt vor dem Ausstieg aus dem ABM-Vertrag, da
anvisierte Gespräche für START III dadurch gefährdet wären. Außerdem würde Moskau
sich gezwungen sehen, die Produktion von ICBMs vom Typ Topol wieder
34
aufzunehmen, die wohl jede Bemühung der USA zu Nichte machen würde. Es stellt
sich aber aus westlicher Sicht die Frage, ob Rußland auch tatsächlich dazu in der Lage
wäre? Das von russischer Seite befürchtete Kräfteungleichgewicht, wäre nur mit einer
massiven Aufrüstung zu beantworten, da man in der Aufstellung eines weiteren
Abwehrsystems87 keinen Sinn mehr sieht. Tatsache aber ist, daß die marode Wirtschaft
Rußlands, die zunehmend von Auslandskrediten abhängig ist, vielleicht diese
Wettrennen verlieren könnte. Für Moskau ein bestimmt beunruhigender Gedanke, und
daher ein essentieller Streitpunkt mit den USA.
Bei der ballistischen Raketenabwehr stellt sich allgemein eine weitere, aber
wichtige Frage. Wie nötig braucht man eine Abwehr, wie es das NMD und das TMD
darstellen? Für die konservativen Kräfte in der US-Regierung ist dies vielleicht keine
Frage, aber dennoch sollte man sie sich stellen. Die USA verfügen noch immer über ein
beträchtliches Arsenal an nuklearen Vernichtungswaffen, wie auch Rußland. Trotz der
Abrüstung auf beiden Seiten, müßte das Arsenal ausreichen, jeden beliebigen Gegner
mehrmals
auszulöschen.
In
Anbetracht
dieses
immer
noch
immensen
Zerstörungspotentials, scheinen Abwehrsysteme wie das NMD für eine limitierten
Angriff doch nicht recht einleuchtend. Allein die Existenz einer Doktrin wie dem MAD
war in der Lage für Jahrzehnte den Einsatz von diesen Waffen zu verhindern. Die
Rationalität
hatte
gesiegt.
Warum
sollte
eine
begrenzte
Zahl
von
Massenvernichtungswaffen und den nötigen Trägersystemen in den Händen eines
Diktators bzw. Schurkenstaates eine Ausnahme bilden. Das US-Arsenal dürfte mit
Sicherheit mehr als ausreichen, um einen Gegner einzuschüchtern, egal wie irrational
dieser sein mag. Denn jeder müßte sich im Klaren darüber sein, daß der zu befürchtende
Gegenschlag der USA, unweigerlich das Ende bedeuten würde. Wäre der Irak mit
weitreichenden Atomwaffen ausgestattet gewesen, ist nicht sicher ob Saddam Hussein
diese wirklich gegen die USA eingesetzt hätte, wohlwissend, daß ein Angriff auf die
USA die völlige Vernichtung des Irak zur Folge gehabt haben würde. Daß er Scud
Raketen und chemische Kampfstoffe einsetzte, war abzusehen, da auch er wußte, daß
die Wirkung dieser Waffen nur begrenzt ist.
Wenn eben dieses Arsenal dazu reichte die UdSSR ernsthaft zu bedrohen, warum
sollte dies nicht mit dem selben Arsenal an Nuklearwaffen auf Schurkenstaaten und
Diktaturen übertragbar sein? Ein nuklearer Angriff auf die USA bleibt weiterhin ein
aussichtsloses Unterfangen.
87
Neben dem bereits existierenden System
35
Die unbeabsichtigte Auslösung einer oder mehrerer Atomwaffen auf die USA ist
bisher nicht geschehen. Die Angst davor ist zwar berechtigt, aber ob der Abwehrschild
diese abzufangen vermag, ist nicht 100 % sicher. Die Gefechtsfeldraketenabwehr
scheint dafür unproblematischer und politisch bei weitem weniger umstritten. Vor allem
scheint sie eher umsetzbar.
Was nun mit der US-Raketenabwehr wird, ist nur schwer vorauszusagen, da es
viele Faktoren gibt die nicht sicher sind wie zum Beispiel technische Mängel und
Verzögerungen, das politische Umfeld (russische Reaktionen) und die Entwicklung der
Bedrohungslage für die USA.
Sicher ist aber, daß die Umsetzung von dem NMD und vor allem von dem TMD
realistischer ist, als es Reagans SDI jemals war.
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